Wer darf die Mikrostromtherapie durchführen?
Brauche ich eine spezielle Ausbildung um die Mikrostromtherapie durchführen zu dürfen?
Das ist eine gute Frage wie wir finden und hier scheint es einen echten Aufklärungsbedarf zu geben. Aufgrund von Hinwiesen einigen Therapeuten, dass Personal-Trainer, Coaches, Fitnesstrainer und angehende Heilpraktiker, Mikrostromtherapie bei Patienten zur Linderung Erkrankungen anbieten, finden wir, muss hier einmal Licht ins Dunkel gebracht werden.
Hierbei lässt sich die Mikrostromtherapie auch durch andere Therapieverfahren oder durch andere Gerät ersetzen.
Wer darf denn überhaupt Therapien anbieten und durchführen in Deutschland?
Das ist ziemlich klar geregelt, denn hier kommt das Heilpraktikergesetz (HeilprG) ins Spiel. „(1) Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis. (2) Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird. (3) Wer die Heilkunde bisher berufsmäßig ausgeübt hat und weiterhin ausüben will, erhält die Erlaubnis nach Maßgabe der Durchführungsbestimmungen; er führt die Berufsbezeichnung “Heilpraktiker" (HeilprG, 1939, § 1).“
Besonders zu beachten ist hierbei der Teil: „[…] Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden […]“, denn hier ist eine Analogie zu ziehen mit dem Medizinproduktegesetz, über das wir bereits mehr Artikel geschrieben haben.
Hieraus abgeleitet, darf die Mikrostromtherapie in Deutschland ausschließlich von Ärzten(innen) und Heilpraktiker(innen) eingesetzt werden. Bei Physiotherapeuten(innen) kommt hierbei jedoch eine Besonderheit zum Tragen, was auch ihnen ermöglicht die Therapie eigenverantwortlich durchzuführen. Hierauf gehen wir im Folgenden noch weiter ein.
Strafen und Probleme die sich für Nicht-Therapeuten/-Ärzte ergeben könnten
Bei einem Verstoß gegen §1 des Heilpraktikergesetzes, also wer ohne die Erlaubnis Patienten therapiert (auch mit Mikrostrom), ohne Arzt oder Heilpraktiker zu sein (bei den Physiotherapeuten kommt hier eine Besonderheit zum Tragen auf die wir später eingehen) läuft Gefahr mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe, bestraft zu werden (HeilprG, 1939, § 5).
Stebner (2018) ist promovierter Jurist und Fachanwalt für Medizinrecht und macht einem Artikel die ‘Gefahr’ und ‘Brisanz’ dieses Themas deutlich. Nach Stebner (2018) gelangen die meisten Anzeigen zu den Staatsanwaltschaften über Patienten oder sog. Konkurrenten, wie Ärzten, legal arbeitenden Heilpraktikern oder entsprechenden Verbänden.
Alleine der Anfangsverdacht, gegen § 5 des Heilpraktikergesetzes zu verstoßen, wird demnach ohne zu zögern bei den Staatsanwaltschaften ein Ermittlungsverfahren hervorrufen. Hierbei ist besonders hervorzuheben, dass dieses bei den Betroffenen zur einer polizeilichen Durchsuchung der genutzten Räume und Privatwohnungen führen kann. Sollte hierbei belastendes Material gefunden werden wie Rechnung und Aufzeichnungen, kann dies den Anfangsverdacht erhärten und die Situation für den Strafverteidiger umso schwieriger machen (Stebner, 2018).
Abmahnungen und wettbewerbsrechtliche Schwierigkeiten für die Betroffenen
Neben den strafrechtlichen Folgen ergeben sich für die Betroffenen auch erhebliche wettbewerbsrechtliche Folgen. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet die irreführende geschäftliche Handlung (vgl. UWG, §§ 3,5) insofern, als dass ein Anbieter von therapeutischen/medizinischen Leistungen korrekte Angaben über seine Befähigung zu den angebotenen Leistungen machen muss. Liegt diese Befähigung nicht vor, dann ist dieses abmahnfähig mit entsprechenden Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen. Demnach kann ein Physiotherapeut oder tatsächlicher Heilpraktiker einen Fitnesstrainer(in) der die Mikrostromtherapie anbietet, abmahnen und sollte dies auch tun. Eine Abmahnung sollte schon zum Schutze der Patienten geschehen und unter Respekt auf jene Ärzte und Therapeuten die ein hohes Maß an Zeit und Geld in Ihre Ausbildung/Studium investiert haben (Zimmermann, 2012).
Richter (2018) hat dies als Betreiber einer Praxis für Physiotherapie ziemlich treffend formuliert:
„Der Wettbewerb im Gesundheitssektor wird mittlerweile mit sehr harten Bandagen ausgetragen. Alle wollen möglichst viele Selbstzahler oder Privatversicherte aquirieren, denn hauptsächlich mit diesen beiden Zielgruppen werden die Gewinne erzielt! Schauen Sie nur einmal auf das Personal Training. Das ist komplett durch die Kunden selbst finanziert und hochpreisig obendrein. Die Umsätze mit den gesetzlichen Krankenkassen – wenn denn welche erzielt werden – dienen dagegen eher zur Grundsicherung des laufenden Betriebes. Viele selbstständige Physiotherapeuten bewegen sich jedoch mit Ihren Praxen finanziell an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit und müssen nicht nur mit anderen Praxen konkurrieren, sondern sich inzwischen auch mit chinesischen- oder Thaimassage-Salons, vielen Fitnessstudios, Yoga-Anbietern oder Personal-Trainern messen“ (Richter, 2017).
So definiert das Bundesverfassungsgericht die erlaubnispflichtige Heiltätigkeit
Das Bundesverfassungsgericht beschreibt den Sinn und Zweck des Heilpraktikergesetzes darin, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und beruft sich auf Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes: “Bei der Gesundheit der Bevölkerung handelt es sich um ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut […]. Das heilkundliche Tätigkeit grundsätzlich nicht erlaubnisfrei sein soll, hat im Hinblick auf das Schutzgut Gesundheit seinen Sinn." (BVerfG, 2004)
Besonderheiten in der Physiotherapie
In der Regel handelt es sich bei der Mikrostromtherapie im physiotherapeutischen Umfeld um eine Therapie ohne ärztliche Verordnung. Damit ist die Frage zu stellen, kann/darf ein Physiotherapeut(in) eine solche Behandlung außerhalb ärztliche Verordnungen durchführen? Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) urteilte über diese Fragestellung. „Mit mindestens 100 Unterrichtsstunden in physiotherapeutischen Befund- und Untersuchungstechniken, wird der Physiotherapeut in seinem Tätigkeitsfeld auch zur eigenständigen Befunderhebung befähigt und hat diese Kenntnis im Rahmen des praktischen Teils seiner Abschlussprüfung unter Beweis zu stellen.“ Weiter führte das Gericht aus: „[…] aus der ärztlichen Verordnung ergebe sich regelmäßig lediglich das Leitsymptom oder der Ort der Beschwerden und in der Praxis werde darüber hinaus vielfach von unspezifischen und wenig aussagekräftigen Diagnosen berichtet. Die Verordnung habe nach Auffassung des Gerichtes folglich lediglich eine Bedeutung für die Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenversicherungen, nicht aber für die Zulässigkeit der Durchführung von Behandlungen.“ (Weigt, 2009)
Mikrostromgeräte sind im Rahmen ihrer Konformitätsbewertung als Elektrotherapiegeräte zu betrachten. Elektrotherapie ist im Curriculum zur Ausbildung in der Physiotherapie enthalten. Woraus sich somit, wie im Vorhergehenden erläutert, ein Erlaubnistatbestand entnehmen lässt. Zudem haben Physiotherapeuten mittlerweile die Möglichkeit die Heilpraktikererlaubnis über den sektoralen Heilpraktiker für Physiotherapie ‚zu erwerben‘. Dieser eröffnet den Therapeuten noch weit aus mehr Möglichkeiten in ihrer täglichen Praxis.
Fitness Wellness
Neben der Anwendung von medizinischen und therapeutischen Zwecken, ist der Einsatz natürlich im Bereich Sportleistungssteigerung, Fitness und Wellness möglich. Diese Anwendung kann von jedem durchgeführt werden, sofern sie in der Definition der Sache den §1 Heilpraktikergesetz nicht berührt. Also eine Anwendung (nicht Behandlung, nicht Therapie) bei einem Sportler um schneller zu regeneriern ist somit davon ausgenommen und kann von einem Trainer, Coache etc. durchaus durchgeführt werden.
Literaturverzeichnis
BVerfG. (2004). Urteil des Bundesverfassungsgerichtes 2 BvR 1802/02. Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2004/06/rk20040603_2bvr180202.html
HeilprG. (1939). Gesetz über die berufmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz). Bundesgesetzblatt. Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/heilprg/BJNR002510939.html
Richter, V. (2017). Abmahnungen sind ein probates Mittel für einen fairen Wettbewerb. Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter http://relaxman-redaktion.blogspot.com/2017/03/abmahnungen-sind-ein-probates-mittel.html
Stebner, F. (Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V., Hrsg.). (2018). Wann beginnt die unzulässige erlaubnispflichtige Heilbehandlung für Psychologische Berater und Coaches? Wegen schwieriger Abgrenzung zur zulässigen erlaubnisfreien Heilbehandlung auf Nummer sicher gehen! Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter https://www.vfp.de/verband/verbandszeitschrift/alle-ausgaben/69-heft-01-2015/577-wann-beginnt-die-unzulaessige-erlaubnispfl-ichtige-heilbehandlung-fuer-psychologische-berater-und-choaches.html
Weigt, M. (IWW – Institut für Wissen in der Wirtschaft, Hrsg.). (2009). Behandlung ohne ärztliche Verordnung und ohne Heilpraktikererlaubnis rechtens! (05. Aufl.). Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter https://www.iww.de/pp/archiv/rechtsprechung-behandlung-ohne-aerztliche-verordnung-und-ohne-heilpraktikererlaubnis-rechtens-f42785
Zimmermann, B. (anwalt.de services AG, Hrsg.). (2012). Coach – ein Berufsbild ohne gesetzliche Norm? Zugriff am 14.11.2018. Verfügbar unter https://www.anwalt.de/rechtstipps/coach-ein-berufsbild-ohne-gesetzliche-norm_028150.html