Biohacking – die ‚do-it-yourself‘ Wissenschaft

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Biohacking – die 'do-it-yourself' Wissenschaft zur besten Version von uns selbst

Kybernetischer Mikrostrom einer Form des Biohacking

Die Verbindung von Biologie und modernster Technologie =Biohacking! Die Biohacking-Szene gewinnt auch in Deutschland immer mehr an Gefolge. Wahrscheinlich auch dem Social-Media-Hype, speziell um die Plattform Instagram geschuldet, schwappt – wie soll es anders sein – die 'Welle' von Selbstoptimierungstechniken von den USA ?? nach Deutschland ?? über.
Das Metaprogramm der Biohacker ist vergleichbar mit dem der Computerhacker. Am Ende geht es darum, die Grenzen von Leistungsfähigkeit zu beschleunigen, das Altern zu verlangsamen, die Regenerationsfähig und damit die Gesundheit zu steigern. Hilfsmittel wie Fitnesstracker, Smartwatches, Rot-Lichtblöcke ? oder Kältesaunen mit bis zu – 180°C ? sind da vergleichsweise die einfachsten technologischen Helferlein. (Naumann, 2020)

Kurz gesagt: Es wird im Hinblick z. B. Schlafoptimierung, gemessen und dann angepasst (hier kommt der 'Hack' ins Spiel), wieder gemessen und weiter angepasst. Damit verfolgen die Biohacker die gleiche Strategie wie eine Qualitätsmanager der nach dem Prinzip der KVP (kontinuierlichen Verbesserung) arbeitet.

Beim Thema Biohacking kommt man um eine Person nicht herum. Der US-Amerikaner Tim Ferriss mit seiner 'Tim Ferriss Show' ist Autor u.a. von dem Bestseller 'Der 4-Stunden Körper', den 'Tools der Titanen' und weiteren Werken, die sich um das Thema Selbstoptimierung und Biohacking drehen. (David, 2020)

Nach eigenen Aussagen hat der Podcast des Ur-Biohackers, Tim Ferriss, im Jahr 2021 die Marke von 700 Millionen Download geknackt. Damit zählt er unbestritten zu einem der erfolgreichsten Podcastern weltweit. (Ferriss, 2021)

Aber was ist Biohacking nun genau und was sagen die Wissenschaftsportale darüber?

“This is like Disneyland for adults!” (Moschel, 2014) – das ist doch mal eine schöne Vorstellung von dem was die Biohacker den ganzen Tag so über machen, oder nicht?? Nein, ganz so plakativ ist die ganze Thematik nun wieder doch nicht. Im Gegenteil, das Biohacken ist nicht nur ein stark ansteigender Wirtschaftszweig, sondern bietet dem Einzelnen durchaus Erkenntnisse, sein eigenes Leben und seine Gesundheit zu optimieren, um die eigenen Ziele schneller und einfacher zu erreichen.

Durchstöbert man PubMED, so wird man fündig unter Yetisen (2018) in der Kategorie Biotechnologie:
„Biohacking ist eine Do-it-yourself-Bürgerwissenschaft, die Körpermodifikation mit Technologie verbindet. Zu den Beweggründen der Biohacker gehören die kybernetische Erforschung, die Erfassung persönlicher Daten und das Eintreten für Datenschutzrechte und Open-Source-Medizin. Die Entstehung einer Biohacking-Gemeinschaft hat die Diskussionen über kulturelle Werte, medizinische Ethik, Sicherheit und Einwilligung in transhumanistische Technologie beeinflusst.“ (Yetisen, 2018)

Was hat Biohacking mit der Mikrostromtherapie zu tun und umgekehrt?

Auch deutsche Biohacker haben sich bereits mit dem Thema Mikrostrom auseinandergesetzt. Den Recherchen und Postings in den sozialen Medien zur Folge mit der klassischen bzw. statischen Anwendung von Mikroströmen unter Einbeziehung spezifischer Frequenzen vgl. McMakin et al. Also eine Anwendungsform der Mikrostromtherapie bzw. einer Wellness-Gerätetechnik (also kein Medizinprodukt) ca. aus dem Jahr 2007 und damit nicht mit moderner Mess- und Therapietechnik zu vergleichen. Nichtsdestotrotz ist der gedankliche Ansatz, oder besser gesagt die gedankliche Perspektive dahinter interessant.
Zugegeben: Das Biohacking etwas mit der Mikrostromtherapie zu hat oder die Mikrostromtherapie mit dem Biohacking, ist tatsächlich eine nicht zu verachtende Betrachtungsweise.

Gerade der Bereich der Regenerationsmedizin ist ein wesentlicher Teil der Mikrostromtherapie. So fanden Piras (2021) heraus, „dass die Mikrostromanwendung mit einem Frequenzbereich von 25-50 Hz in Kombination mit aerobem Training zu einer signifikanten Abnahme der subkutanen Bauchfettdicke durch die Lipolyse-Stimulation führte. Darüber hinaus berichtete die Mehrzahl, der mit MENS durchgeführten Studien über eine signifikante Reduktion des verzögert auftretenden Muskelkaters nach Krafttraining.“ (Piras, Zini, Trofè, Campa & Raffi, 2021, S. 2)

Ein Messinstrument, welches auch im Bereich des Biohacking häufig zum Tragen kommt, ist die Herzraten-Variabilitäts-Messung (HRV). „Unter Herzfrequenzvariabilität (HRV, englisch: heart rate variability) versteht man Schwankungen der Herzfrequenz von Schlag zu Schlag, über einen kürzeren (Minuten) oder längeren Zeitraum (bis zu 24 Stunden). Die HRV ist eine Meßgröße der neurovegetativen Aktivität oder der autonomen Funktion des Herzens.“ (Löllgen, 1999)
Die HRV zeigt eine Veränderung der autonomen Verhältnisse, die einen Rückschluss auf Sympathikus und Parasympathikus geben. (Löllgen, 1999)

In der Studie Piras (2021) kam ebenfalls das Messinstrument der HRV zur Anwendung. „In der vorliegenden Studie fanden wir signifikant unterschiedliche Auswirkungen auf die Parameter des autonomen Nervensystems, mit einem höheren Anstieg der vagalen Reaktivierung (RMSSD und HF-Band des HRV-Frequenzspektrums) nach MENS im Vergleich zur Shamexposition. Darüber hinaus wurde das sympathovagale Gleichgewicht, bewertet durch das LF/HF-Verhältnis, in Richtung eines Zustands der parasympathischen Vorherrschaft verschoben und zeigte eine schnellere Erholung nach der Stimulationsbehandlung als in der Kontrollbedingung.“ (Piras et al., 2021, S. 11)

Eine weitere Messgröße ist die sog. Bio-Impedanz-Analyse (BIA). Auch in diesem Feld können Messergebnisse verwendet werden um eine Optimierung von Körper-, Gesundheit-, und Regenerationszustand, nach einem entsprechenden Hack, zu beurteilen.

In einer Untersuchung von Barassi et al. (2020) zur Anwendung der Mikrostromtherapie, kam eben dieses Messverfahren zum Einsatz. Die gesundheitsbezogene „Lebensqualität“ haben sich durch die Anwendung der Luxxamed-Mikrostromtherapie statistisch signifikant verändert. Die Aussagen der Patienten korrelierten mit der Messung der Bio-Impedanz-Analyse (BIA) wo eine Verringerung von Körpermasse und dem Wassergehalt im Gewebe verzeichnet werden konnte. (Barassi et al., 2020, S. 86)

Der Biohack in der Mikrostromtherapie – kybernetische Mikrostromtherapie mit LED-Licht

Biohacking ist die ‚Wissenschaft‘ des stetigen [Testen, Anpassen, Anwenden, Testen, Anpassen, Anwenden….]. Damit ist klar, dass eine einfache Anwendung von Strömen im millionstel Ampere-Bereich (10-6 Ampere) unter Einbeziehung von festgelegten Frequenzprotokollen, nicht ganz den Sinn des Biohackings erfüllt, zumal diese Form der Technologie bereits über 15 Jahre alt ist.

Es ist ein Verfahren von Nöten, dass dem Metaprogramm der Biohacker Folge leisten kann und somit als ‚kybernetische‘, oder ‚interaktive‘ Mikrostromtherapie, verstanden werden kann. Dazu zeigen Studie wie Wetzel & Karutz (2013), dass eine zusätzliche Anwendung einer spezifischen LED-Lichttherapie, den Effekt einer Mikrostromanwendung steigern kann.
Wetzel et al. (2013) führte am Fraunhofer-Institut FEP für Plasma- und Strahlentechnik eine Untersuchung zur LED-Lichttherapie des Luxxamed HD2000 durch. Untersucht wurde der Einfluss der Luxxamed LED-Lichttherapie auf humane Zellen. Ein Kriterium war die Hypothese, dass das LED-Lichttherapie einen Einfluss auf die Entzündung in humanen Zellen hat. Gegenstand der Untersuchung waren Haut- und Bindegewebszellen, bei welchen eine Entzündungsreaktion mit bakteriellem Lipopolysaccharid ausgelöst wurde. Im Ergebnis bewirkte eine 20-minütige Behandlung der humanen Zellen eine Unterbindung der Entzündungsreaktion.

Konkret wurde festgestellt, dass sich das IL-8 um bis zu 21,3 % und IL-6 um bis zu 17,8 reduzierte. Damit ist nachgewiesen, dass die Luxxamed LED-Lichttherapie eine deutlich entzündungshemmende Wirkung hat. (Wetzel & Karutz, 2013, S. 13)
Die Anwendung von einem interaktiven Verfahren der Mikrostromtherapie, bei dem die Ströme durch eine Messung parametrisiert werden und sich ständig an die Veränderung im Gewebe anpassen, kommt damit dem ‚Gedankengut‘ der Biohacker um ein Vielfaches näher.

Durch eine gleichzeitige Hinzunahme von LED-Licht, welches über das Messverfahren der Mikrostromtherapie ebenfalls parametrisiert wird, können damit die Ergebnisse in Therapie- und Regeneration, zusätzlich positiv beeinflusst werden.
„In klinischen Anwendungen und Studien konnte ich Zusammenhänge zwischen metabolischen (thermodynamischen) Zuständen, deren Messbarkeit sowie deren Aussage zur klinischen Anwendbarkeit aufstellen und in der Praxis umsetzen und verifizieren. Es gelang mir bisherige Studien hinsichtlich deren Aussagen zu Mikrostromwirkung in ihrer klinischen Wirksamkeit und Anwendbarkeit nachzuvollziehen und durch neue Algorithmen zu erweitern, welche als Grundlage der klinischen Anwendung dienen. Dieses Wissen wird ständig erweitert und klinisch verifiziert.“ (Voracek, 2018)

Conclusio

Die Quelle der Motivation des Biohacking liegt quasi in jedem Menschen und ist durch die Evolution geprägt. Höher, schneller und weiter sind die Maxime dieser Vorgehensweise zur Selbstoptimierung und in vielen Fällen auch Selbstverwirklichung. Die Anwendung von Mikroströmen mit einem intelligenten Messverfahren und einem Algorithmus, der für eine ständige Anpassung und Kontrolle der Therapie beiträgt, passt ziemlich genau in das Verständnis eines Biohacks.
Somit kann gesagt werden, dass der kybernetische (interaktive) Einsatz von Mikrostrom und der kombinierten Anwendung von LED-Licht in der Therapie und Regeneration ein Hack in sich ist. Starre Systeme bei denen lediglich spezifische Frequenzen eingeben oder vorgefertigte Frequenz-Protokolle abgespielt werden, sind nicht mehr Stand der Technik und widersprechen eigentlich dem Ansatz des Biohackings.

Literaturverzeichnis

Barassi, G., Younes, A., Di Felice, P. A., Di Iulio, A., Guerri, S., Prosperi, L. et al. (2020). Microcurrents in the treatment of chronic pain: biological, symptomatological and life quality effects. Journal of Biological Regulators and Homeostatic Agents, 34(4). https://doi.org/10.23812/20-166-L

David (Eat Move Hack, Hrsg.). (2020). Top Biohackers and What to Learn From Them. Zugriff am 17.12.2021. Verfügbar unter: https://www.eatmovehack.com/top-biohackers-and-what-to-learn-from-them/

Ferriss, T. (2021). How I Built The Tim Ferriss Show to 700+ Million Downloads. Zugriff am 17.12.2021. Verfügbar unter: https://tim.blog/2021/10/14/how-i-built-the-tim-ferriss-show-podcast/

Löllgen, H. (Dtsch Artzebl, Hrsg.). (1999). Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik – Herzfrequenzvariabilität. Zugriff am 21.12.2021. Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/18505/Serie-Neue-Methoden-in-der-kardialen-Funktionsdiagnostik-Herzfrequenzvariabilitaet

Moschel, M. (2014). The Beginner’s Guide to Biohacking. Plus, the top 7 Biohacks from the Bulletproof Biohacking Conference. Zugriff am 25.11.2021. Verfügbar unter: https://betterhumans.pub/the-beginners-guide-to-biohacking-5179b9967c16
Naumann, M. (Utopia GmbH, Hrsg.). (2020). Biohacking: Einfache Mittel für zu mehr Energie und Gesundheit. Zugriff am 25.11.2021. Verfügbar unter: https://utopia.de/ratgeber/biohacking-einfache-mittel-fuer-zu-mehr-energie-und-gesundheit/

Piras, A., Zini, L., Trofè, A., Campa, F. & Raffi, M. (2021). Effects of Acute Microcurrent Electrical Stimulation on Muscle Function and Subsequent Recovery Strategy. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(9). https://doi.org/10.3390/ijerph18094597

Voracek, V. (2018). Kybernetische Therapie des Stoffwechsels (BCR). Es besteht eine selbstbedingende Abhängigkeit zwischen Struktur, Funktion,Stoffwechsel und der Psyche. Zugriff am 24.08.2019. Verfügbar unter: https://www.docvoracek.de/leistungsspektrum/

Wetzel, C. & Karutz, A. (2013). Abschlussbericht Ermittlung des Einflussses der Nanophotonentechnologie auf in vitro-Zellkulturen (Fraunhofer FEP, Hrsg.).

Yetisen, A. K. (2018). Biohacking. Trends in Biotechnology, 36(8), 744–747. https://doi.org/10.1016/j.tibtech.2018.02.011